Tagungsbericht "Arbeitskonflikte und Gender – aktuelle und historische Perspektiven"

GEW RV Hochschule und Forschung Mittelhessen unterstützte die interdisziplinäre Tagung

Erwerbsarbeit ist aktuell wie historisch von Macht- und Herrschaftsverhältnissen geprägt und daher häufig konflikthaft. Als wichtige Faktoren gesellschaftlichen Wandels wurden und werden Arbeitskonflikte vergleichsweise intensiv erforscht. Allerdings ist die bisherige Forschung häufig geschlechtsblind. Ihr Fokus lag oft auf dem Widerspruch zwischen Kapital- und Lohnarbeitsinteressen; intersektionalen Verknüpfungen verschiedener Dimensionen sozialer Ungleichheit wurde und wird eher wenig Aufmerksamkeit geschenkt.

Die Tagung Arbeitskonflikte und Gender – aktuelle und historische Perspektive nahm diese Forschungslücke zum Ausgangspunkt mit dem Ziel einer dezidiert gendersensiblen Analyse von Auseinandersetzungen in und um Erwerbsarbeit. Berücksichtigt wurden sowohl kollektiv organisierte und vergleichsweise ‚zugespitzte‘ Konfliktformen (z.B. Streiks, Betriebsbesetzungen o.ä.) als auch stärker fragmentierte, dezentrale und z.T. individualisierte Kämpfe.

Sie fand als Fortsetzung der Tagung Geschlechterperspektiven auf Gewerkschaften, die am 28. und 29. September 2015 in Erlangen stattgefunden hatte und mit dem Gleichstellungspreis der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) ausgezeichnet worden ist, am 21. und 22. März 2019 in Nürnberg statt. Ein vergrößertes Organisationsteam, bestehend aus Ingrid Artus, Judith Holland, Nadja Morgenstern (Institut für Soziologie, FAU), Nadja Bennewitz (Lehrstuhl Didaktik der Geschichte, FAU), Annette Keilhauer (Institut für Romanistik, Interdisziplinäres Zentrum für Gender-Differenz-Diversität (IZGDD), FAU), Annette Henninger (Institut für Politikwissenschaft, Philipps-Universität Marburg) und Stefan Kerber-Clasen (Fachbereich Sozialökonomie, Universität Hamburg) hatte sich zusammengefunden, um diese Konferenz vorzubereiten. Bereits der interdisziplinär ausgerichtete Call for Papers war auf große Resonanz aus dem In- wie Ausland gestoßen, so dass diese Tagung im Vergleich zum vorangegangenen Format nicht nur Wissenschaftler*innen aus mehreren Fachrichtungen (Soziologie, Politikwissenschaften, Geschichtswissenschaften, Ethnologie, Rechtswissenschaften, Kulturwissenschaften), sondern auch aus mehreren Ländern (Deutschland, Österreich, UK, Frankreich, Kanada, Indien) zusammenbrachte Sie wurde am Campus Regensburger Straße der FAU in der Villa St. Paul mit der Unterstützung des Preisgelds des Renate-Wittern-Sterzel-Preises sowie des IZGDD der FAU, der Rosa Luxemburg Stiftung, der GEW und von ver.di durchgeführt.

Die Tagung war gut besucht und es waren auch einige Vertreter*innen aus der Praxis, insbesondere der Gewerkschaften vor Ort. Nach den Grußworten der Gastgeberin Charlotte Bühl-Gramer (Lehrstuhl Didaktik der Geschichte, FAU) sowie von Annette Keilhauer als Universitätsfrauenbeauftragte der FAU wurde der fachübergreifende Dialog über die geschlechterkritische Analyse von Konflikten in und um Erwerbsarbeit mit Gisela Notz (Berlin), Ingrid Kurz-Scherf (zuletzt Philipps-Universität Marburg) und Heiner Dribbusch vom Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung von drei Größen ihrer jeweiligen Disziplin eröffnet. Im Anschluss ging es in insgesamt fünf Panels um verschiede Herangehensweisen an das Thema. In Panel 1 und 3 wurden Arbeitskonflikte in ihren verschiedenen Erscheinungsformen betrachtet, als kollektive, individuelle, transnationale Kämpfe oder auch, um überhaupt Zugang zum Arbeitsmarkt zu erhalten. Im zweiten und fünften Panel wurden zunächst verschiedene analytische (Gender-)Perspektiven auf Arbeitskonflikte und Interessenvertretung eröffnet, wobei Dienstleistungs- und Sorgebereich fokussiert wurden. Im Anschluss wurden die Arbeitsbedingungen und –Konflikte in einzelnen Bereichen tiefergreifend untersucht: in der Kranken- und Altenpflege, im Sozial- und Erziehungsdienst, im Rettungswesen, in der Hausarbeit, der Sexarbeit und auch in der Sekretariatsarbeit. Schließlich wurden in Panel 4 historische Konflikte behandelt auch in Hinblick auf die Kluft zwischen gleichstellungspolitischem Anspruch und Wirklichkeit, wie bei gewerkschaftlicher sowie universitärer Gleichstellungsarbeit etwa.

Insgesamt war es eine gelungene Fortsetzung der vorangegangenen Tagung und die Teilnehmer*innen waren dankbar für viele neue interessante Ansätze und Kontakte.

Ein Beitrag von Judith Holland